Der katastrophale Zustand des Waldes (und der Waldränder) in Deutschland

 

(Zitate aus dem empfehlenswerten Buch von  Peter Wernicke, „Schreiadler – Adler ohne Land“, S. 70 – 71; Hirnstorff Verlag GmbH, Rostsock 2009 / ISBN 978-3-356-01306-1):

 

Während die Bauwirtschaft sich wie ein Krebsgeschwür mit täglich mal viel mehr, mal etwas weniger als 100 Hektar Flächenverbrauch in die Landschaft Deutschlands frisst (eine Fläche von bis zu einmal Köln pro Jahr), führt auch „die immer intensivere Land- und Forstwirtschaft zu einem massiven Verlust von Lebensräumen und zerstört die Lebensgrundlage vieler Arten. In der jüngeren Vergangenheit ist auf mehreren hochrangig besetzten internationalen Konferenzen der Verlust der Artenvielfalt zusammen mit der Klimaveränderung und den sozialen Spannungen in der Welt als eine der aktuellen globalen Herausforderungen erkannt worden. Deutschland versucht sich in diesen Fragen als ein Vorreiter in der Welt zu profilieren und hat bemerkenswerte internationale Initiativen angestoßen. Aber wie sieht es mit der Umsetzung von Naturschutzforderungen im eigenen Land aus?...“ Am fortschreitenden Artenschwund lässt sich „die Unzulänglichkeit der nationalen Landnutzungs- und Naturschutzpolitik und -praxis deutlich...“ machen. „Sowohl in der Land- als auch in der Forstwirtschaft schreitet die Intensivierung ungebremst voran. Nach wie vor geht es darum, immer mehr Ertrag und Gewinn aus einer bestimmten Fläche zu erzielen, zu welchem ökologischen Preis auch immer. In der Landwirtschaft führt dies zu einer bisher in der Geschichte nie dagewesenen Monotonisierung der Landschaft und zur Ausrichtung auf extrem wenige Kulturpflanzen. In Mecklenburg-Vorpommern sind in 2007 auf der rund 1 Million Hektar umfassenden Ackerfläche im Wesentlichen  Getreide (ohne Mais etwa 50,6 % der Nutzfläche), Raps (etwa 23,8 % der Nutzfläche) und Mais (etwa 9,5 % der Nutzfläche) angebaut worden. Diese Flächen sind auf Grund der hohen und dichten Vegetation für Schreiadler [ich ergänze: für alle Greifvögel und Eulen, die auf Wiesen jagen müssen, für Störche, Kiebitze usw. /Anmerkung von mir] nicht mehr nutzbar. Nahrungssuche [oder: Jungenaufzucht der Wiesenbrüter, der Hasen u. v. a. m.] ist dort nicht mehr möglich. Nur 20 % der Landwirtschaftsfläche waren Grünland, das meiste davon jedoch hoch intensiv gedüngt und dadurch nur mit geringerer Beutedichte.“ [Anmerkung von mir: „Beutedichte“ meint: die Größenmenge von Nagern wie Mäusen, Amphibien, Reptilen, Insekten. Auch das Kalken und Walzen der Flächen zerstört sämtliche Gelege von Lerchen, Kiebitzen usw., tötet letzte Heuschrecken usw... In Schleswir-Holstein haben wir es sogar geschafft, dass die letzten Heuschreckenarten, wichtige Beute für u. a. den Storch und Steinkauz, vom Aussterben bedroht sind] „Dabei stellt das Beispiel Mecklenburg-Vorpommern nicht einmal das negative Ende der deutshen Bundesländer dar. Ganz im Gegenteil, beim Anteil extensiv [= geringer genutzt / Anm. v. mir] bewirtschafteter Nutzfläche rangiert das Land neben Brandenburg im absoluten Spitzenfeld.“

 

[Zwischeninfo: In Schleswig-Holstein sieht es viel düsterer aus, weswegen z. B. der Weißstorchbestand von in 1907 noch 2670 Brutpaaren auf in 2005 ca. 150 Brutpaare geschrumpft ist. Der Schreiadler, der nur in Wäldern mit alten und naturbelassenen Bäumen und bei viel Ruhe leben und seine Nahrung vor allem auf Wiesen am Waldrand suchen konnte, die es heute kaum noch gibt, ein Adler, der Anfang des 20 Jh.s wohl der noch häufigste Adle ganz Deutschlands war, brütet heute mit einen jährlich schrumpfenden Restbestand von in 2010 75 Paaren nur noch in Meck-Pomm, Brandenbrug und Sachsen-Anhalt]

 

Im Wald werden ebenfalls immer intensivere Nutzungsverfahren eingeführt. Ziel ist es auch hier, in kürzerer Zeit mehr und qualitativ höherwertiges Holz zu ernten. Unberührte, alte Waldbestände... werden dadurch immer seltener.

 

[Zwischeninfo: die durch künstliche Bearbeitung/Entfernen von unteren Ästen im Jungedstadium der Bäume "aalglatten" Wirtschaftswaldbäume, die außerdem jung geschlagen werden, bieten u. a. viel weniger Astgabeln für Vogelnester und bieten den meisten Spechtarten keine Chancen mehr, Höhlen zu bauen, Höhlen, die später von aufußkauz, Waldkauz, Hohltaube, Eichhörnchen, Baummarder u. v. a. m. genutzt werden könnten. Schwarzspechte benötigen sogar 120 Jahre alte und ältere Buchen, sonst können sie gar keine Höhlen anlegen. im letzten Jahr z. B. balzte erstmals ein Schwarzspechtpaar im "Vossgraben", einem kleinen Wald am Ortsrand Lensahns - dieses Jahr nicht mehr, denn: alle ihm gefallenden Buchen wurden im letzten Winter gefällt]


"Würde der in Deutschland herrschende umfassende Nutzungsanspruch und Intensivierungsgrad in der Land- und Forstwirtschaft auf die anderen Teile der Welt übertragen, so würde das weltweite Artensterben noch wesentlich dramatischer ausfallen. Als Beispiel mag hier die Urwalddiskussion angeführt werden. In Deutschland wurden Urwälder schon vor Jahrhunderten vernichtet. Die Artenvielfalt in den heimischen Nutzwäldern stellt nur noch einen Bruchteil dessen dar, was hiesige Urwälder einst beherbergten. Es gibt in Deutschland keine unberührten Wälder mehr, und es ist dringend notwendig, wenigstens größere Waldflächen in eine natürliche Entwicklung als „Urwälder von morgen“ überführen. Gegenwärtig sind in der Bundesrepublik ganze 0,14 Prozent der Landfläche ihrer natürlichen Entwicklung überlassen, auf den Wald bezogen sind es 0,47 Prozent [Wald, der nicht forstwirtschaftlich genutzt wird / Anm. v. mir]... Von den Urwäldern der Welt sind immerhin noch 20 Prozent erhalten. In einigen Kernländern wie der Republik Kongo, Brasilien oder Russland sind immer noch große Landesteile von Urwald bedeckt. Die Verhältnisse dort und der Umgang mit den Wäldern sind katastrophal, aber vergleichen wir sie mit den 0,14 % in Deutschland [= unberührter Naturflächen der Gesamtfläche Deutschlands]!“

Buchenwälder sind die Waldform, die die Urwälder Deutschlands prägten. Hier wuchsen einmal rund ein Viertel der europäischen Buchenwälder. Heute nehmen sie weniger als fünf Prozent ihrer ursprünglichen Fläche ein [man halte kurz inne – das heißt: 95 % des deutschen Ur-Buchenwaldes wurde bereits der Bau-, Land- und Forstwirtschaft und damit unserem Wohlstandsleben für das „Wirtschaftswachstum/Geldgewinnstreben“ geopfert – und wir kriegen den Hals noch immer nicht voll, wollen noch mehr davon – in Schleswig-Holstein, im waldärmsten Bundesland, schrumpft der Wald immer noch – wir verkaufen in den letzten Jahren sogar Waldanteile an China, weil dort kein Wald mehr zum Abholzen ist – alles schon weg! / Anm. v. mir]. Die meisten davon [der ohnehin nur noch fünf Prozent Buchenwaldfläche / Anm. v. mir] sind viel zu jung, um auch nur annähernd die Funktion der ehemaligen Urwälder erahnen zu lassen. In Deutschland sind selbst Schutzgebiete in der Regel eher „Nutzgebiet“ als Schutzgebiet. Hierzulande sind z. B. fast 600.000 Hektar Buchenwälder im Rahmen der Europäischen Schutzgebietnetzes NATURA 2000 unter Naturschutz gestellt worden. Nur 0,6 Prozent davon sind ohne Nutzung. Damit unterscheiden sich diese „Schutzgebiete“ kaum vom oben genannten Durchschnittswert. Das Schutzgebietnetz NATURA 2000 soll immerhin die Grundlage für den Stopp des Artenrückgangs in Europa bis zum Jahr 2010 bilden. Europa und Deutschland haben sich damit ehrgeizige Ziele gesetzt. Aber wie sollen diese Ziele erreicht werden, wenn innerhalb der speziellen Schutzgebiete die gleichen intensiven Nutzungen betrieben werden wie außerhalb?

 

Soweit Peter Wernickes Informationen. Bleibt nur hinzuzufügen, dass eine Welt, die immer weniger Pflanzen- und Tierarten Lebensraum bietet, auch uns Menschen immer weniger das Leben erhalten kann. Die „Ausräumung“ der Landschaft z. B. in form von Wiesenumbruch zu Ackerland, Entwässerung und Knickbeseitigung führt dann sogar zu schlimmen Katastrophen wie dem Massenunfall jetzt auf der A 19 in Meck-Pomm mit 8 Toten und fast 140 z. T. schwer Verletzten – durch Sandsturm im April! Als ob wir in der Sahara wären... Wie viele Opfer an Leben und Gesundheit sind wir bereit, dem „Gott“ Mammon noch darzubringen? In China, habe ich mir sagen lassen, wird derzeit alle paar Minuten ein durch Umweltgifte behindertes Kind geboren. bei uns opfern wir die Zukunft zahlloser Kinder durch Schäden, die der Abgasfeinstaub unserer Autos in Großstädten verursacht. Sie bekommen davon immer mehr u. a. Lungen- und Gehörschäden. Letztere Schäden führen zu schlechterem Sprachelernen usw... Wenn der Mensch Gottes gute Ordnungen „verbessern“ will, nicht um Hungersnöte u. ä. zu überwinden (wofür durch Waldrodungen und Trockenlegungen vomn Mooren Ackerflächen gewonnen werden mussten), sondern um das Häuschen im Grünen und das volle Bankkonto zu realisieren usw., endet das immer in der „Verschlimmbesserung“ für das Leben. In unserer Raps- und Maislandschaft Schleswig-Holsteins z. B. finden die Honigbienen keine Nahrung mehr, sterben reihenweise Bienenvölker (auch u. a. durch Spritzmittel der Landwirtschaft). Was soll’s? – könnte man meinen. Verzichten wir eben auf ein paar Imker, die ihren Beruf aufgeben und auf Honig zum Frühstück. Aber weit gefehlt! Schlauberger wie Albert Einstein wussten noch – Zitat: „Wenn die Honigbiene ausstirbt, stirbt der Mensch 4 Jahre später aus“. Denn: Die Honigbiene ist das einzige bekannte Insekt, das sich am Morgen dafür entscheidet, den ganzen Tag nur ein und dieselbe Blütensorte anzufliegen. Deshalb werden ca. 80 % der sich durch Pollen vermehrenden Pflanzenarten nur durch die Biene erhalten. Alle anderen Insekten fliegen kreuz und quer durch die Botanik und können daher wesentlich weniger Pflanzen bestäuben. Stiefmütterchenpollen können eben keinen  Raps befruchten, Rapspollen passen nicht zu Kirchblüten usw... Wenn aber bis zu 80 % der Pflanzen verschwinden, die sich durch Pollen vermehren, weil das derzeit katastrophale Bienenvölkersterben nicht u. a. durch wieder neue Schaffung von Blumenwiesen u. ä. gestoppt wird (die dann u. a. am Waldrand auch wieder Hase, Rebhuhn, Fasan, Storch usw. Lebensraum geben, der derzeit durch von Raps und Mais umzingelte Wälder verloren gegangen ist) – wie soll dann der Mensch mit nur noch 20 % der sich durch Pollen vermehrenden Pflanzen (also auch ohne Raps, ohne Äpfel, Kirschen, Birnen, Beeren z. B.) überleben? Wir haben den Bogen weit überspannt, nicht wahr? Ist er noch vor dem Brechen zu bewahren?

 

Ergänzung - mir ist nach dem Verfassen obiger Zeilen per Post meines Vaters neuste Jagdzeitschrift in die Hände gekommen und darin, aus Thüringen kommend, jetzt unter der wegweisenden Überschrift „Verzicht auf Millionen“ erste gute Nachrichten (Sind Menschen und sogar Politiker unter ihnen lernfähig?) – ich zitiere aus „unsere Jagd“, 4. Ausgabe März 2011, S. 21:

 

„Gegen alle Widerstände hält die thüringische Landesregierung an ihrem Vorhaben fest, 25.000 Hektar Wald aus der forstwirtschaftlichen Nutzung zu nehmen. Damit kommt Thüringen als erstes Bundesland der Aufforderung des Bundes mach, auf rund fünf Prozent der Waldfläche die forstwirtschaftliche Nutzung aufzugeben, erklärte Forstminister Jürgen Reinholz. Dabei sei ihm durchaus bewusst, dass er einen Spagat zwischen den Interessen des Umweltschutzes und der Holzindustrie hinlege, meinte Reinholz. Immerhin gebe es bei thüringer Sägewerken und holzverarbeitenden Unternehmen rund 40.000 Arbeitsplätze. Es sei niemandem geholfen, wenn Sägewerke, wie in Bayern geschehen, abwanderten. Die Sägewerke verarbeiten jährlich etwa 4,8 Millionen Festmeter Holz, von denen 2,5 Millionen Festmeter aus Thüringens Wäldern kommen. 25.000 Hektar Staatswald nicht mehr forstwirtschaftlich zu nutzen, kommt das Bundesland teuer zu stehen. Bei den gegenwärtigen Holzpreisen zwischen 90 und 200 Euro je Festmeter bedeute das einen Verzeicht von rund 100 Millionen Euro Einnahmen...“

 

Als Nachfolger eines Mannes, der unter Verzicht auf sein Leben und Glück für meinen/unseren Vorteil sogar ans Kreuz ging, damit nämlich Leben wieder Leben genannt werden kann und aufblüht, wie es das auch tut, wo man ihm wirklich folgt, also nicht bloß „christlich“ tut oder seinen Namen für Unchristlichkeiten missbraucht (Kreuzzüge etc.), sondern Christ ist (ohne ihn gäbe es kein Rotes Kreuz, keine Charitas, keinen Martin Luther, keine Mutter Teresa, keinen Martin Luther King, keinen Johann Sebastian Bach, keine Gospelmusik, keine kirchlichen Feiertage, keine freien Sonntag zur Beziehungspflege untereinander und mit Gott u. v. a. m.), als Nachfolger dieses Kreuzträgers freut mich die Einsicht Thüringens sehr. Leben kann in dieser Schöpfung nur gedeihen, wo jeder von uns zu großen Opfern bereit ist. Ein bisschen spenden hier, ein wenig Baumpflanzung da, etwas Restbiotopschutz dort oder Zahlungen auf Ökokonten bringen hingegen rein gar nichts im Vergleich zur täglichen Naturzerstörung... Während also Schleswig-Holstein seinen Wald so sehr überausbeutet, dass er seit 1999 um mindestens 4.000 Hektar geschrumpft ist, gibt es andere Bundesländer, die der Natur immerhin dankbar ein wenig Wald zurückgeben möchten, den sie zuvor zum eigenen Nutzen immerhin viele Jahre schon ausgebeutet hatten...

 

Zurück zum Thema Waldnutzungsverzicht in Thüringen: Hinsichtlich des besseren Naturschutzes gibt es seitens deutscher Politiker/innen Absichtserklärungen noch und nöcher. Ich bin zwar Theologe und gläubiger Christ, aber bzgl. derartiger Absichtserklärungen, wie sie jetzt Jürgen Reinholz äußerte, gilt selbstverständlich der Grundsatz: "Ich glaube es erst, wenn ich es sehe"! Auch die westlichen Politiker des 21. Jh.s sind noch vom griechischen Denken her geprägt: "Heute habe ich viel Nachgedacht und geredet, also habe ich schon viel geschafft." Das orientalische Denken der Bibel/Jesu hingegen fasst ein Spruch Erich Kästners sehr gut in Worte: "Es gibt nichts Gutes - außer man tut es!" (vgl. 1.Joh 3,18: "Lasst uns nicht lieben mit Gerede und Worten, sondern mit der Tat und Wahrheit!") Dann mal los, Thüringen! Woll'n mal sehen, was du drauf hast in Sachen Gutes tun. Gott mit dir, wenn's gelingt bzw. dass es gelingt, der Natur ein wenig zurückzugeben von dem, was sie uns täglich spendet!